In den letzten Tagen hatte ich ein paar interessante "Gespräche" rund um Exit, dem Prof. Goodall sei Dank!
Ich hatte mir erlaubt ein paar Kommentare dazu zu schreiben und gewisse wurden gleich wieder gelöscht. Ist vielleicht auch besser so. Wahr ist das, was die Mehrheit für wahr hält! Und ich will keine schlafenden Hunde wecken.
Ein Post von mir an ein international bekanntes Medium lautete folgendermassen:
"Lieber ...,
so wie ich gelesen habe, glaubte Herr Goodall an nichts Geistiges wie z.B. ein Leben nach dem Tod oder an eine Seele etc. Wird er trotzdem irgendwo ankommen? Hast du ihn auch "kontaktiert" am Lebensende? Siehst du seine jetzige Situation auch? Ich sah bis jetzt nichts sehr Positives. OK, meist ändert sich das nach ein paar Tagen. So starb letztes Jahr ein krebskranker Freund von mir durch Exit und an seiner Beerdigung war er schon wieder guter Dinge. In anderen Fällen hängen die "Exitler" und andere Selbstmörder aber immer noch irgendwo herum. Sie sind oft, zumindest für mich, nicht ansprechbar. Sie sind und bleiben teilweise bis sich ihre "Restseele" ganz aufgelöst hat irgendwo hängen. Ich befürchte, dass es Herrn Professor Goodall, trotz seinem Namen, ähnlich gehen wird.
Gruss Markus"
Antwort:
"Ich habe verschiedene Bekannte und Verwandte die mit Exit oder anderen Organisationen gingen und keiner von dessen Seele hatte irgendwelche Probleme danach. Die Vorurteile betreffend freiwilligem Abgang sind sehr christlich. Früher wurden solche Menschen nicht auf Friedhöfen beerdigt. In verschiedenen Kulturen ist der freiwillige Schritt ganz normal."
Émile Durkheim (1858-1915) verfasste 1897 die berühmte Studie, "Le suicide". In dieser soziologischen Arbeit unterschied er vier Typen der Selbsttötung:
1) Der egoistische Selbstmord ist Ausdruck der mangelnden Integration in eine Gemeinschaft.
2) Altruistische Selbsttötung ist demgegenüber Ausdruck einer zu starken Bindung an Gruppennormen.
3) Anomische Selbsttötung spiegelt die moralische Verwirrung des Individuums wider, seinen Mangel an gesellschaftlicher Orientierung, oft verbunden mit dramatischem sozialem und ökonomischem Wandel.
4) Fatalistische Selbsttötung ist das Gegenteil des anomischen. Hier ist ein Mensch in extremem Maße eingeschränkt und erfährt seine Zukunft als vorbestimmt, seine Bedürfnisse werden erstickt.
Das Exit-Phänomen gab es damals noch nicht. Aber alle vier von Durkheim erwähnten Ursachen können zu diesem modernen Selbstmordtyp führen.
Alfred Hoche (1865–1943) prägte 1918 den Begriff "Bilanzsuizid" als eine überlegte Suizidhandlung gesunder Menschen, als Akt freier Willenshandlung. Dabei wird die eigene Lebensbilanz als negativ gewertet und als Resümee der selbstgewählte Tod gesucht. Alterssuizid und Suizid wegen unheilbaren Krankheiten, wird dazu gezählt.
Ein Suizid via Exit kann somit als Bilanzsuizid aufgefasst werden. "Es rechnet sich nicht", weiterzuleben, könnte man dazu sagen. Oder anders gesagt, man sieht rational keinen anderen Ausweg.
Klaus Dörner (* 1933) schrieb 1993, ihm sei noch kein einziger Fall einer Selbsttötung bekannt geworden, der als Bilanzsuizid hätte bezeichnet werden können, und schloss daraus, dass es einen kalkulierten Suizid nicht gebe. Bilanzsuizide existieren nach seiner Auffassung daher nur im individuellen Empfinden der Suizidenten.
"In der wissenschaftlichen Forschung gibt es eine Kontroverse, ob es einen Bilanzsuizid in reiner Form überhaupt gibt. Der Mediziner und Soziologe Klaus Dörner behauptet, dass der Suizid die Konsequenz eines Leidens ist und daher nicht als Akt freier Willensbildung einzuordnen sei. Der Betroffene handle aus einer subjektiv als Zwangslage empfundenen Situation heraus. Einen Bilanzsuizid im Sinne einer bewussten, freien und objektiv nachvollziehbaren Entscheidung zum Tod gebe es deshalb nicht.
Eine andere Ansicht vertritt der Ethiker Dieter Birnbacher: „ (…) auch wenn solche Suizide statistisch eher selten sind, kann doch nicht an ihrer Realität gezweifelt werden… Eindeutige Beispiele für wohlerwogene Suizide sind die von terminal Kranken, die sich der qualvollen Endphase der Krankheit durch Suizid entziehen wollen. Hier ist zwar die Krankheit eine Bedingung dafür, den Suizid zu wollen, aber das heißt nicht, dass das Wille des Kranken selbst krank oder gestört ist (…)".in: Wiesing, U. (Hrsg.): Ethik in der Medizin. Ein Studienbuch. Reclam, Stuttgart 2008, S. 197"
Quelle: https://www.dghs.de/wissen/lexikon-a-z.html?type=0&uid=9&cHash=067832f996b7a32d53c0a3fb45246e72
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Ein etwas pragmatischeres Gespräch hatte ich letzte Nacht mit einer Bestatterin:
"Ich bin Bestatterin und habe sehr grosse Mühe mit Exitfällen. Es ist beinahe Hip mit Exit zu gehen!
Ich bin nicht für Exit. Die Energie im Raum eines Exitgegangenen ist nie eine Gute ...
Aber es ist nicht logisch erklärbar. Ich hole Exittote nicht gerne ab.
Ich glaube, man muss nicht täglich mit dem Tod konfrontiert sein, ein gesunder Menschenverstand reicht schon aus.
Ich lass mich meist nicht emotional ein, aber Exitfälle nerven mich.
Exit ist so "anerkannt" in der Gesellschaft und ich finde das eine ungute Entwicklung."
(Donnerstag, Auffahrt, den 10. Mai 2018)
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