Mittwoch, 30. August 2017

Über die Lust

Der Grundzustand der Materie ist Lust.

Lust ist der potentielle Brennstoff des Feuers.

"Im Anfang war die Lust
und die Lust war bei Gott,
und die Lust war Gott.
Im Anfang war sie bei Gott.
Alles ist durch die Lust geworden
und ohne die Lust wurde nichts, was geworden ist."
[frei nach Johannes 1.1-3]

Wenn ich voll bin, wenn ich total magnetisiert bin, wenn jede Zelle mit Prana gesättigt ist, wenn Wellen von Od mich durchfluten, wenn das Qì frei strömt, dann bin ich in der Lust. Ich habe Lust, Lust auf alles. Alles ist möglich. Alles was möglich ist, kann ich jetzt sogleich tun, weil ich riesige Lust darauf habe. Es gibt nichts zu überwinden. Im Gegenteil, ich muss jetzt was tun.

Ich habe Lust mich zu bewegen, die Turnschuhe anzuziehen und durch den Wald zu rennen. Ich habe Lust Kartoffeln zu schälen und eine Rösti zu kochen. Ich habe Lust etwas zu essen und habe aber auch genau so Lust darauf zu fasten. Ich möchte programmieren, meinem Broterwerb nachgehen. Ich könnte mich hinlegen und innert Sekunden einschlafen. Ich habe Lust mit Freunden zu schwatzen oder ein schweres philosophisches Werk zu lesen. Ich habe Lust auf Sex. Eigentlich könnte ich eine neue Sprache lernen oder eine alte auffrischen. Ein Bild malen, das wäre jetzt schön! Ich habe Lust nichts zu tun. Ich habe Lust zu schreiben. Ich muss meditieren. Alles gleichzeitig, alles jetzt, und noch viel mehr und von all dem zusammen noch tausendmal mehr.

Ich bin verliebt in Alle und Alles! Alles glänzt und glitzert und verspricht noch mehr Lust. Ich habe das Gefühl, selbst die Steine seien voller Lust.

An anderen Tagen ist alles anders und keine zwei Tage sind gleich. Aber die Arbeit ist seit Jahrtausenden die gleiche: Brennholz sammeln, das Feuer pflegen und sich am Licht und der Wärme erfreuen!

(30.08.2017)

Sonntag, 27. August 2017

Motocross

Roggenburg (300 Einwohner) veranstaltet jedes Jahr ein grosses internationales Motocross Seitenwagenrennen. Ich bin kein Freund von Lärm und Gestank, aber gestern gingen wir doch wieder einmal hin. Wir wanderten in sommerlicher Bruthitze über die Hügel ans Motocross.

Über eine Brücke oder durch einen Tunnel kann man sich, wenn man will, auch innerhalb der Rennstrecke ins Gras einer steilen Wiese setzen. Diese Möglichkeit zog mich vom ersten Moment magisch an. Also weg vom Bierzelt und rein ins "Wespennest"!

Die Sonne brennt, überall hat es meist sehr relaxte Besuchergrüppchen und rundherum sausen die Motorräder mit den Seitenwagen. Ich schaue und höre zu, staune über die halsbrecherische Akrobatik der Seitenwagenfahrer. Wer gewinnt und alle diese Details interessieren mich nicht und mit Motorrädern kenne ich mich schon gar nicht aus.

Ein Rennen dauert rund eine halbe Stunde. Ich mache Fotos und Filmchen und schaue zu. Die wildgewordenen Maschinen umkreisen mich. Lärm und Staub, Dreck fliegt bis zu den Zuschauern. "Es nimmt mich hinein." Ich bekomme Tränen. Alles bewegt sich innen und aussen. Ich habe Motorräder in meinem Bauch, in den Füssen, im Kopf. Sie rasen durch mich hindurch. Irgendwie rhythmisch und chaotisch zugleich. Alles ist miteinander verbunden und ich bin ein Teil davon. So schön!

Das Bild des Fahrers und des Akrobaten im Seitenwagen erinnert mich an unser Leben. Wir steuern, wir geben Gas und bremsen und unsere Geistführer tun das "menschenmögliche" damit wir doch noch irgendwie die Kurve kriegen!

(27.08.2017)

Freitag, 25. August 2017

Macht Liebe blind?

Man sagt: "Liebe macht blind!"
Ich hab's ausprobiert. Es stimmt nicht. Liebe macht sehend!
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Natürlich weiss ich in etwa, was man meint, wenn man sagt, dass die Liebe blind mache. Wahrscheinlich sowas wie diese Geschichte hier über Ramakrishna, - oder vielleicht auch nur 1% davon:

"Eines Tages war ich die Beute einer schrecklichen Angst. Ich hatte das Gefühl, als werde mein Herz ausgewrungen wie ein feuchtes Tuch. Ich war von Leiden gequält. Beim Gedanken, dass ich diese göttliche Erscheinung nicht haben könne, schien mir das Leben nicht mehr lebenswert zu sein. Ich war entschlossen, ein Ende mit mir zu machen. Da erblickte ich das große Schwert, das im Heiligtum hing. Ich stürzte wie ein Toller darauf los, um es zu ergreifen und – plötzlich offenbarte sich mir endlich die gnadenvolle Mutter. Die verschiedenen Teile der Gebäude, der Tempel und alles andere verschwanden spurlos vor meinen Augen. Statt dessen sah ich einen Ozean des Geistes, grenzenlos, unendlich, blendend. Soweit mein Blick reichte, sah ich glänzende Wogen, die von allen Seiten her sich erhoben und mit schrecklichem Rauschen auf mich niederbrandeten, als wollten sie mich verschlingen. Ich konnte nicht mehr atmen. Vom Wirbel der Wogen erfasst, stürzte ich leblos hin. Was in der äußeren Welt vor sich ging, wusste ich nicht. Mein Inneres wurde von einer stetigen Welle unaussprechlicher, mir noch völlig unbekannter Glückseligkeit durchflutet und ich fühlte die Gegenwart der göttlichen Mutter."
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"Liebe macht sehend". Wenn man das googelt, so findet man tonnenweise mehr oder weniger gescheite philosophische und theologische Überlegungen...
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"Ich hab's ausprobiert". Das ist das eigentliche Thema von diesem Post. Ich möchte kurz zwei Erfahrungen beschreiben:

Ich bin stark kurzsichtig seit ich etwa 18 Jahre alt bin. Ich muss zum Autofahren eine  Brille tragen und in gewissen anderen, sehr seltenen Situationen - z.B. im Kurs bei Anouk - trage ich sie manchmal auch. Ansonsten lebe ich brillenlos. Ich habe ein jahrzehntelanges Augentraining hinter mir und habe zahllose Bücher über dieses Thema gelesen und könnte ein weiteres darüber schreiben. Wenn ich mir etwas Zeit nehmen kann, dann bin ich unterdessen auch in die Ferne fast normalsichtig! Ich will mich kurz fassen und nur einen Aspekt im Zusammenhang mit der Liebe erwähnen: Starke Liebesgefühle lassen meine Stimme zittrig und meine Augen feucht bis nass werden. Und dieses bisschen mehr Augenfeuchte führt für mich zu klarerem sehen!

Die andere Erfahrung kann ich noch nicht richtig deuten. Zieht die Liebe Geistwesen an, oder offenbaren sie sich mir dann leichter oder bin ich einfach etwas offener und fühliger im Zustand der Liebe? Aber auf jeden Fall hilft sie beim "sehen". Wahrscheinlich könnte man ganz ohne Liebe überhaupt nichts sehen. Erst durch das Licht der Liebe erscheint die Welt. Man sieht nicht weil Licht auf die Netzhaut trifft. Man sieht weil unsere Liebe mit der Liebe der Welt interagiert.

(25.08.2017)