Zahllose herbstlich verfärbte Blätter rascheln bei jedem Schritt auf meinem Waldspaziergang. Die abgefallenen Blätter machen sich mir in ihrer jetzigen Form bemerkbar. Ich weiß jedoch, dass die Buchenblätter vor ein paar Wochen noch grün waren und weit oben an den Ästen hingen. Bald werden sie von Mikroorganismen abgebaut sein und in ein paar Monaten werden sie sich in Erde verwandelt haben.
Jedes Lebewesen, jedes Ding, jeder Gedanke hat sein eigenes Leben und dieses wird wohl seinen eigenen Sinn haben. Ich brauche mich nicht darum zu kümmern. Alles ist in Gottes Hand.
Diese einfache Einsicht erlaubt es mir, unbeschwert durchs Leben zu gehen. Es wird weder erwartet, noch ist es sinnvoll, wenn ich mich in alles einmische, sei es mit gut gemeinten Ratschlägen oder indem ich alles beurteile.
Umso freier ich mich fühle, umso besser kann ich wahrnehmen, was wirklich da ist. Und umso tiefer ich empfinde, umso mehr spüre und sehe ich Zusammenhänge. Es scheint viel mehr Sinn zu geben in Allem als ich mir denken kann!
Ich wünsche jedem Laubblatt am Boden Gottes Segen und hoffe, dass alle und alles den ihm innewohnenden Gottesfunken leben kann.
Aus einem anfänglichen "über etwas Nachdenken" wird ein "mit etwas Fühlen". Und siehe da, die dürren Blätter am Boden werden lebendig. Das Rascheln bekommt Obertöne, die braune Farbe beginnt zu leuchten. Kleine Funken stäuben über den Boden und steigen auf zu den bereits vorhandenen Blattknospen, welche auf den nächsten Frühling warten.
Ich umarme den dicken Buchenstamm. Es ist kalt, aber irgendwie gibt der Baum warm. Mein Herz schlägt schneller. Weit oben bewegt sich ein Ast und macht ein quietschendes Geräusch. Der Umfang des Baumes ist grösser als die Spannweite meiner Arme. Ich horche am Stamm. Ich höre mein Blut in den Ohren pulsieren. Der Baum scheint sich hin und her zu bewegen. Ich halte mich fest. Ich höre Wasser rauschen, es wird dunkel. Ich stehe am Eingang einer mannshohen Höhle. Es ist alles grün, tropisch, überall grüne Blätter. Ich greife in dicke, feuchte Moospolster neben dem Höhleneingang. Jemand erzählt eine Geschichte. Die Stimme kommt nicht von der Höhle her, sondern von hinten. Ich drehe mich um und sehe riesige kahle Äste vor dem weißgrauen Himmel. Der Baum lässt mich langsam los. Es ist, wie wenn ich vom Stamm losfallen würde. Ein bisschen torkelnd und mit grünen, leicht zerschundenen Händen gehe ich weiter. Ich höre kein Rascheln mehr. Glockenartige Klänge durchdringen den ganzen Wald.
Herbst 2011